Essstörungen


Häufig beginnen Essstörungen mit einer ganz gewöhnlichen Diät, die sich dann zu einer Magersucht entwickelt. Später kann die Magersucht in eine andere Essstörung übergehen, zum Beispiel in eine Bulimie.

Für die Magersucht ist die Einschränkung der Nahrungszufuhr typisch. Die Betroffenen versuchen, möglichst wenig zu essen und auf Fett und Kohlenhydrate zu verzichten. Anfangs fühlt es sich häufig gut an: Man hat seinen Körper unter Kontrolle, man erreicht seine Ziele und bekommt Komplimente und Wertschätzung von allen Seiten. Häufig ist man zu Beginn auch sehr leistungsfähig, weshalb die Betroffenen sich zusätzlich bestätigt fühlen.

Auf Dauer geht das jedoch nicht gut. Der hungernde Körper ist immer mehr aufs Essen konzentriert. Menschen mit Magersucht können oft kaum noch an etwas anderes denken, sodass ein normales Leben nahezu unmöglich wird. Sie ziehen sich zurück und haben kaum mehr Zeit für anderes. Sie beschäftigen sich fast nur noch mit der Essensvermeidung und der Kalorienverbrennung. Dies führt häufig zu depressiven Symptomen.

Der Versuch, mehr Kontrolle über sein Gewicht zu erlangen, wird zur Falle: Die Magersucht kontrolliert das Leben der Betroffenen weitgehend, und sie haben das Gefühl, damit nicht aufhören zu können. Sie haben furchtbare Angst, wieder normal zu essen und fürchten, dadurch die Kontrolle zu verlieren und masslos zuzunehmen.

Doch dem Körper ist die Figur egal. Er tut sein Bestes, um die Hungergefahr zu überstehen. Deshalb kommt es häufig zu Heisshunger. Bei Heisshungeranfällen werden grosse Mengen an energiereicher Nahrung innerhalb kürzester Zeit verschlungen. Die Betroffenen haben das Gefühl, keine Kontrolle darüber zu haben und nicht aufhören zu können. Auf Essanfälle folgen Scham, Selbstabwertung und Angst vor Gewichtszunahme, sowie der Versuch, die vielen Kalorien durch Erbrechen, eingeschränktes Essen, exzessiven Sport etc. wieder loszuwerden. Das bedeutet für den Körper erneut Hunger, der wieder zu einem Heisshungeranfall führt. So entsteht ein Teufelskreis von Essanfällen und Gewichtsabnahme, was auch für  die Bulimie typisch ist. Der Übergang von Magersucht zu Bulimie oder zu Binge Eating – das sind Essattacken ohne regulierende Gegenmassnahmen – ist fliessend und kommt häufig vor.

Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Faktoren spielen bei Essstörungen eine wichtige Rolle. Häufig sind es Perfektionismus, die Angst, Fehler zu machen oder Makel zu haben, Angst vor Kontrollverlust, einseitige Selbstdefinition über die äussere Erscheinung oder die erbrachten Leistungen, Selbstwertproblematik, Probleme in der sozialen Integration, Konflikte mit dem sozialen Umfeld oder Schwierigkeiten mit dem Durchsetzungsvermögen. Zudem haben sowohl die Magersucht als auch die Bulimie eine nicht zu unterschätzende Funktion bei der Emotionsregulation, das heisst beim Umgang mit unangenehmen Gefühlen.

 


Was kann man gegen Essstörungen tun?


Im Grunde muss man vier Sachen, wovon drei Verhaltensweisen, ändern: Erstens sollte man regelmässig essen, und zwar auf den ganzen Tag verteilt. Zweitens sollte man sich gar nichts komplett verbieten, sondern die gefürchteten und gemiedenen Nahrungsmittel wieder schrittweise zu sich nehmen. Drittens sollte man keinen exzessiven Sport betreiben. Überhaupt wären für den Körper angenehme Dinge wichtig. Ein neuer Umgang mit dem Körper muss gelernt werden: nicht strafend, sondern wohltuend und wertschätzend; nicht nur auf die äussere Erscheinung fokussiert, sondern auch auf körperliche Bedürfnisse achtend.

Die Angst vor grenzenloser Gewichtszunahme ist unbegründet. Sobald der Körper regelmässig und ausreichend Nahrung bekommt, nehmen die Essanfälle häufig von alleine ab. In der ersten Phase kann das Gewicht noch pendeln, nach einer Weile stabilisiert es sich häufig beim Normalgewicht.

Der vierte Punkt, der ebenfalls geändert werden sollte, besteht darin, die eigene Einstellung sich selber gegenüber zu ändern und das zugrundeliegende Problem zu lösen. Das umfasst die Einsicht, dass die Figur nicht vollumfänglich unter unserer Kontrolle steht, und dass sie auch nicht das einzige Kriterium für den Wert eines Menschen ist. Weiter muss man sich unangenehmen Situationen und Gefühlen stellen und lernen, sie zu bewältigen oder zu akzeptieren, anstatt sie zu meiden.

Natürlich ist dies eine grosse Herausforderung. Häufig kann man die Probleme alleine gar nicht bewältigen, weil die Ursachen einem selber nicht ganz klar sind und weil man sich in Kreis dreht: Solange man die Ursachen nicht bewältigt, ist man in den essgestörten Verhaltensweisen gefangen, und solange man diese ausübt, kommt man nicht an die dadurch gemiedenen zugrundeliegenden Probleme heran. Deshalb empfiehlt es sich sehr, mit Hilfe einer Psychotherapie die Essstörung zu bewältigen.